Wie so ziemlich alle Ressourcen wird auch Energie an Börsen gehandelt. Der einzige deutsche Handelsplatz, die European Energy Exchange (EEX), hat seinen Sitz in Leipzig. Dort haben wir mit einem Vertreter der EEX gesprochen.
Strom wird immer gebraucht und immer erzeugt. Aber die erzeugte Menge und der Verbrauch wechseln ständig über den Verlauf des Tages. Gerade Strom aus erneuerbaren Energien unterliegt den Launen der Natur. Weht beispielsweise nur schwacher oder gar kein Wind, entfällt der Windstrom natürlich komplett.
Gleichzeitig lässt sich die erzeugte Menge in konventionellen Anlagen wie der aus Kohlekraftwerken nicht spontan hochschalten. Darüber hinaus wollen sich Marktteilnehmer durch den Handel mit Strom langfristig gegen Preisänderungsrisiken absichern.
So funktioniert die Strombörse
Deswegen gibt es Strombörsen, seitdem der Energiemarkt in den 1990er-Jahren liberalisiert wurde. An der Energiebörse EEX in Leipzig wird Strom für die größten europäischen Strommärkte wie Deutschland, Frankreich und Italien gehandelt.
An der Strombörse kaufen und verkaufen die zugelassenen Handelsteilnehmer Strom für einen festgelegten Lieferzeitraum auf Großhandelsebene. Ausschließlich Unternehmen können selbst direkt dort handeln.
Wir haben Herrn Dr. Tobias Paulun, dem Strategievorstand der EEX dazu ein paar Fragen gestellt.
Energieladen:
Wie kann man sich die Strombörse vorstellen? Ist das vergleichbar mit dem Bild, dass man von einer gewöhnlichen Börse hat? Große Anzeigetafeln mit Kursen und verschwitzte Anzugträger, die wild umherlaufen? Ist das auch in Leipzig so?
Dr. Paulun, EEX:
Der Börsenhandel bei der EEX findet ausschließlich elektronisch statt – also keine großen Anzeigentafeln und wild umherlaufende Menschen. Die zugelassenen Handelsteilnehmer sind über Handelssysteme an die Börse angebunden und können über diese Infrastruktur Gebote für Kauf und Verkauf eingeben.
Diese Gebote – also Angebot und Nachfrage – werden nach festgelegten Handelsregeln automatisch zu Handelsgeschäften zusammengeführt. Die gehandelten Volumina und Preise veröffentlicht die EEX für alle einsehbar auf ihrer Website. Die Angaben über Käufer und Verkäufer bleiben dabei anonym, was sicherstellt, dass alle Teilnehmer gleich behandelt werden.
Energieladen:
Wo wird der Strom gekauft, wo stammt er her und wer sind die Abnehmer?
Dr. Paulun, EEX:
Die EEX selbst kauft oder verkauft keinen Strom, sondern bietet eine Handelsplattform, an der die Handelsteilnehmer ihren Strom handeln. Angebot und Nachfrage bestimmen dabei den Preis.
Das Teilnehmerfeld mit 585 Handelsteilnehmern aus 37 Ländern ist sehr breit gefächert – neben Energieversorgern und Stadtwerken nehmen auch Industrieunternehmen, Banken, spezialisierte Handelshäuser und Broker am Handel teil.
Es gibt einen Markt für kurzfristige Preise und einen für die langfristige Preisbindung
Energieladen:
Welche Möglichkeiten hat ein Handelsteilnehmer, sich an der Strombörse mit Strom einzudecken?
Dr. Paulun, EEX:
Beim Energiehandel unterscheidet man zwei Märkte: den Spotmarkt und den Terminmarkt.
Am Spotmarkt geschlossene Handelsgeschäfte werden spätestens zwei Tage nach Geschäftsabschluss physisch erfüllt. Diese Produkte dienen zur kurzfristigen Optimierung von Beschaffung und Verkauf am Markt. Innerhalb der EEX Group organisiert die Börse EPEX SPOT den kurzfristigen Spotmarkt für Strom.
Die am Terminmarkt der EEX abgeschlossenen Handelsgeschäfte werden erst zu einem späteren, zuvor vereinbarten Zeitpunkt physisch oder finanziell erfüllt. Am Terminmarkt für Strom können sich Handelsteilnehmer mittel- bis langfristig, derzeit bis zu sechs Jahre im Voraus, gegen Preisänderungsrisiken absichern.
Das bedeutet, dass der Kunde bei diesen Jahresverträgen den vereinbarten Preis für jeden Tag im Verlauf der Vertragslaufzeit erhält. So kann ein Handelsteilnehmer bereits jetzt einen Preis für die Zukunft sichern.
Preisbindungen sichern die Unwägbarkeiten gerade bei regenerativer Energieerzeugung ab
Energieladen:
Welchen Einfluss hat die Zunahme von regenerativen Energien auf den Strommarkt? Geht es jetzt rasanter zu, wenn starker Wind weht und plötzlich die Windenergie im Überfluss steht?
Dr. Paulun, EEX:
Da die tatsächliche Produktion von erneuerbaren Energien im Vorfeld nur ungenau vorherzusagen ist, verlangen diese nach einer größeren Flexibilität im Handel.
Marktteilnehmer benötigen in diesem Zusammenhang Instrumente, die es ihnen ermöglichen, ihr Portfolio kurzfristig zu optimieren und das Preisrisiko am untertägigen Markt abzusichern. Wir sehen einen anhaltenden Trend hin zu kurzfristig geschlossenen Handelsgeschäften, also hin zum Spotmarkt oder zu Tages- und Wochenverträgen am Terminmarkt.
Termingeschäfte sind Verträge zwischen zwei Handelsteilnehmern, bei denen Preis und Abnahme für eine bestimmte Zeit im Vorraus bestimmt sind. Sie werden daher auch als Futures bezeichnet.
Um die speziellen Anforderungen der Handelsteilnehmer im Hinblick auf die Integration erneuerbarer Energien in den Markt Rechnung zu tragen, hat die EEX sogenannte Energiewendeprodukte eingeführt, die Cap-Futures und Wind-Futures.
Cap-Futures sind finanziell abgewickelte Terminmarktprodukte, die zur Abdeckung des Marktpreisrisikos am untertägigen Strommarkt genutzt werden, an dem Handelsteilnehmer bis zu 15 Minuten vor der Lieferung handeln können.
Mit den Wind-Power-Futures können sich Handelsteilnehmer gegen das besondere Risiko bei der Erzeugung von Windstrom abzusichern.
“Der Großhandelspreis ist in der Vergangenheit tendenziell gesunken.”
Energieladen:
Steuern und Abgaben machen inzwischen den größten Anteil am Strompreis aus. Nämlich rund 80 Prozent. Hat das einen Einfluss auf die Strombörse und würden die Kunden profitieren, wenn dieser Anteil geringer wäre?
Dr. Paulun, EEX:
Der Preis, der an der Strombörse in Leipzig festgestellt wird, ist ein reiner Großhandelspreis.
Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sind die Steuern, Abgaben und Netzentgelte, die den Großteil des Endkundenpreises ausmachen, in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Der an der EEX festgestellte Großhandelspreis hingegen ist in der Vergangenheit tendenziell gesunken.
Energieladen:
Weshalb steigt und sinkt der Strompreis? Seit einem Jahr steigt er ja gerade wieder.
Dr. Paulun, EEX:
Der Preis an der Strombörse ist immer Ausdruck von Angebot und Nachfrage. Der Preis am Strom-Terminmarkt spiegelt dabei wieder, welche Erwartung Handelsteilnehmer an die zukünftige Preisentwicklung haben.
Schaut man sich die langfristige Entwicklung an, sind die Kosten für den Durchschnittswert am lokalen Markt, den sogenannten Phelix Jahresfuture, in den letzten Jahren deutlich gesunken. Im Jahr 2011 lag der Börsenpreis am Strom-Terminmarkt noch durchschnittlich über 50 Euro je Megawattstunde. Das Kalenderjahr 2018 wird derzeit nur noch um die 30 Euro/MWh gehandelt.
Energieladen:
Danke für das Gespräch!